Gody Bodmer


Fotos: Renato Bagattini

 

 

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     Gody Bodmer         Foto: Renato Baggattini


Gody Bodmer, 1941 - 1997

«Nun mal schön der Reihe nach...»

Zum 1. Todestag von Gody Bodmer, Journalist und Liedermacher von Uster schreibt Raymond Diebold-Schmid im Jahre 1998:

Fortsetzung

Von der Mutter das Singen gelernt

   Gottfried Konrad Bodmer wurde am 5. Mai 1941 als letztes von drei Kindern des Ernst Bodmer und der Lydia Bodmer-Kirchhofer geboren. Aus einer ersten Ehe stammten noch zwei andere Geschwister. Die Familie bestand also aus sieben Personen, wobei alle Geschwister von Gody fünf bis fünfzehn Jahre älter waren als er. Gody wuchs in Wangen b. Dübendorf auf, wegen des Altersunterschiedes zu seinen Geschwistern sozusagen als Einzelkind. Die Primar-, Real- und Sekundarschulen besuchte er in Dübendorf und Schwamendingen, wo sich seine Familie für längere Zeit niedergelassen hatte. Sein Vater war Polier, seine Mutter, eine ausgebildete Sängerin, führte ein hartes, religiöses Regime. Im Zentrum des Geschehens stand die neuapostolische Kirche, in der Gody als Chorsänger öfters Soloeinsätze hatte. Wegen seiner «Hasenscharte» (Gaumenspalte), die ihm in jungen Jahren keinen vorteilhaften Ausdruck verlieh (später überdeckten Schnauz und Bart diesen Geburtsfehler) und zu Sprachfehlern führte, wurde er von anderen Kindern öfters gehänselt.

   Schon als Kind führte Gody das Leben eines Aussenseiters. Mit abenteuerlichen Geschichten versuchte er sich bei den Mitmenschen Aufmerksamkeit und Respekt zu verschaffen. Als Sechsjähriger erzählte er, dass er von einem Militärpiloten zu einem Flug mit der Venom mitgenommen worden sei. Da Gody in seiner Freizeit Stunden am Militärflugplatz zubrachte, ist diese Geschichte durchaus möglich. Später hat er dieses Erlebnis dann aber soweit verinnerlicht, dass er behauptete, als Militärpilot ausgebildet worden zu sein, was das Eidgenössische Militärdepartement allerdings nicht bestätigen konnte.

Geschmückte Geschichten

   Seine Fabulierkunst und die Fähigkeit, aus einfachen Geschehnissen ein zeitgeschichtliches Ereignis zu verdichten, entfremdeten ihn von seiner eigenen Familie, brachten ihm aber auch neue Freunde. Sein fünf Jahre älterer Bruder Karl erinnert sich, dass Gody bei den Familientreffen die Geschwister und Eltern jeweilen um einen Tisch versammelt habe, um ihnen die neuesten Stories zu erzählen. Als er 1986 zu spät zum 50. Geburtstag von Bruder Karl erschien, entschuldigte er sich mit dem Hinweis, der Jungfernflug der Concorde aus Paris, mit der er als Journalist mitgeflogen sei, habe Verspätung erlitten. Von diesem Moment an brach der Kontakt mit seiner Familie ganz ab. Mit seiner dominanten Mutter, die gemäss Bruder Karl gerne als Selbstdarstellerin auftrat, hatte er wegen seiner massiven Geldprobleme und des unsteten Lebens schon immer ein gespaltenes Verhältnis, währenddem er mit seinem «leicht introvertierten» Vater eine lose Verbindung aufrecht erhalten konnte. Seine unterhaltsamen Geschichten verbreitete Gody in späteren Jahren nicht mehr am Familientisch, sondern am Stammtisch des Wirtshauses, wo er Ereignisse und philosophische Wahrheiten in verblüffender Weise verknüpfte und bald den Nimbus eines Allwissenden erreichte.

Jobs aus dem Nichts

   Sein witziger Charme, seine Begeisterungsfähigkeit und seine Konzentrationsfähigkeit in entscheidenden Momenten öffneten Gody immer wieder die Türen für unerwartete Freundschaften und Einstiege in berufliche Karrieren. Uschi Bodmer, die zweite Ehefrau von Gody (1974-1980), erinnert sich, dass er «von Null auf Nichts» zu neuen Jobs kam. Er hatte «sensationelle Anfangserfolge, dann aber auch wieder schnelle Einbrüche». Nach der Lehre als Plandrucker betätigte sich Gody Bodmer mehrere Jahre als Autoverkäufer in der Stadt Zürich und im Glattal. Später wechselte er die Jobs immer häufiger. Krankenpfleger, Hausmeister, Werbetexter, Plakatkleber u.a. gehörten zu seiner Sammlung. Seine Abschiede waren oft abrupt und für Aussenstehende nicht nachvollziehbar. Sein Weggang hatte meist demonstrativen Charakter, wie zum Beispiel in den Jugendjahren, als er mitten aus einer Chorprobe lief und die Notenblätter wegwarf. Auch später hatte Gody Mühe, Entscheide zu akzeptieren, die ihm im Innersten widersprachen. Und wer es wagte, ihm einen Fehler vorzuhalten, der musste damit rechnen, dass er ihn mitten im Gespräch verliess.

Doppelter Engel und «Bernhard»-Apero

   Ende der Siebziger Jahre intensivierte Gody seine Leidenschaft fürs Schreiben und Texten von Liedern. In dieser Zeit gelang ihm der Zugang zum Schweizer Fernsehen. Zusammen mit Hans Gmür und Charles Lewinsky lieferte er die Texte für den «Doppelten Engel». In dieser Sendung traten Berühmtheiten aus dem Showbusiness auf, die Gody nebenbei betreute. In kurzer Zeit hatte Gody Kontakt zu den Liederkreisen um Jakob Stickelberger und Showgrössen wie den Startenor Rudolf Schock. Hans Gmür verhalf ihm auch zu einem Auftritt im «Bernhard»-Apero, wo er mit seiner Gitarre als Nachwuchstalent einen Abend bestreiten konnte.

Körperliches und psychisches Leiden

   Im Jahre 1980 erlitt Gody bei einem Fallschirmabsprung eine schwere Rückenverletzung. Anfängliche Lähmungserscheinungen konnten bei einem Kuraufenthalt in Basel behoben werden. Gody verfiel darauf in eine depressive Phase, die eine therapeutische Behandlung notwendig machte. Die Versicherung attestierte Gody schliesslich wegen der körperlichen Schwächen und der psychischen Instabilität eine 50prozentige Arbeitsunfähigkeit. Dank der Invalidenrente konnten feste Verpflichtungen wie Miete und Alimente künftig direkt bezahlt werden. Dieser Umstand ermöglichte es Gody, sich vermehrt seinen kreativen Fähigkeiten zu widmen. Er begann seine journalistischen Einsätze für den «Anzeiger von Uster» und schrieb für Privatpersonen. Manche politische Rede oder Jubiläumsansprache hatte ihren Ursprung bei Gody Bodmer. Er schrieb Texte für das Trio Eugster, verfasste die Chronik für das Hotel Schweizerhof in Uster, sprach Texte für den Werbefilmer Urs Jenny in Uster oder dichtete Fasnachts-Schnitzelbänke für die «Humoria».

   Bevor Gody Bodmer beim «Anzeiger von Uster» zum Markenzeichen wurde, war er in den 80er Jahren in Uster bereits als «komischer Kauz» oder als Lebenskünstler bekannt. Er zeigte sich immer in Begleitung seines buschigen und gemütlichen Hundes, eines Spaniels. Die schwarzweisse Hündin Diana gehörte zu Gody wie später Kamera und Schreibzeug. Der Tod seiner geliebten Hündin setzte Gody vermutlich ebenso zu wie andere persönliche Schicksalsschläge.

Bericht-Erstatter und Informant

   Gody erzählte nicht nur bedeutungsvolle Geschichten. Er fand auch schnell das Vertrauen von Lokalpolitikern und anderen Dorfgrössen, die ihm ihre eigenen Erlebnisse und Gedanken vermittelten. So wurden die Stammtische des «Salmen» und des «Falken» zum neuen Zuhause von Gody und Gody selber zu einem unentbehrlichen Bericht-Erstatter für den «Anzeiger von Uster» - so wie es der Bedeutung dieses Wortes entspricht. Dabei konnte Gody sehr wohl zwischen Facts und Gerüchten unterscheiden. Oft schrieb er gar keinen Artikel, sondern informierte die Redaktion über die neuesten Entwicklungen in Gewerbe- und Vereinskreisen. Diese begann dann etwas genauer zu recherchieren und konfrontierte Betroffene mit dem «Gehörten». Obwohl nie Namen genannt wurden, war immer klar, wer die Geschichten in Umlauf gebracht hatte. Gody half auch bei vielen Werbeaktionen des AvU tatkräftig mit. Für ihn war es ein Kinderspiel, Originale und Persönlichkeiten für den Werbefilm des AvU an der Uster Messe 1988 einzuspannen. Mit seinem Engagement und den vieldeutigen Kommentaren verhalf er dem «Anzeiger von Uster» zu einem «Wir-Gefühl», das dem Verlag und der Redaktion den Zugang zum Ustermer Lesermarkt wesentlich erleichterte.

Gody als Liedermacher

   Parallel zur journalistischen Tätigkeit trat Gody mit seiner Gitarre als Liedermacher auf. 1988 gründete er zusammen mit der Winterthurerin Giannina Tenti und dem Ustermer Alfonso Pezzola das «Sentimental Trio», das bekannte Lieder («Ohrwürmer») in Dialektform sang. Für alle Lieder schrieb Gody völlig neue Texte, die er meistens dem familiären Anlass anpasste. Mit seinen Liedern war Gody erst zufrieden, wenn das Ende in einem dramatischen Finale mündete. Seine leicht depressive Stimmung zeigte sich darin, dass er erst richtig schreiben konnte, wenn er etwas vermisste. Die Lieder mussten seinem inneren Gefühl entsprechen, deshalb weigerte er sich standhaft, öffentlich ein Lied in der Originalform nachzusingen.

Mister «Anzeiger von Uster»

   Weil Gody Bodmer für die Redaktion immer und überall zur Verfügung stand, entwickelte er sich zu einem «Mädchen für Alles-Reporter», zum Joker schlechthin, bei dem auch der Kameraeinsatz nie fehlte. Persönlich engagierte er sich für die Vereinsszene, im besonderen für den Judoclub und den Reitverein. Mit dem Trainer des Judoclub, Cere Gauch, verband ihn eine enge Freundschaft, und es ist ohne Zweifel auch das Verdienst von Gody Bodmer, dass der Judoclub in Uster salonfähig wurde. Für einen einfühlsamen Bericht über den Judosport mit Behinderten erhielt er eine Auszeichnung des Zürcherischen Journalistenvereins. Beim Reitverein konnte Gody seine spezielle Beobachtungsgabe mit seiner Tierliebe verbinden. Seine symbolträchtige Sprache fand hier fruchtbaren Boden. Pferd und Reiter wuchsen zu einer Einheit, in der die Leiden der Pferde plötzlich menschliche Züge annahmen.

Kommentare zum Wochengeschehen

   Zu einem Markenzeichen wurden seine Kommentare über die Geschehnisse der Woche. Vor der Namensänderung in die «Regionalzeitung» hiess die Glosse in Anlehnung an den kritischen Wermatswiler Bauern «Kleinjogg». Später fasste Gody seine Gedankengänge und Erlebnisse unter «Göpfis Wochengekritzel» zusammen. «Göpfi» hiess diese Kolumne, weil der AvU in seiner Vorwärtsstrategie den legendären «Ustermer Öpfel» als Symbol gewählt hatte. Im Stile eines naiven Beobachters und Hofnarrs gelang es Gody immer wieder, Stimmungsbilder des «einfachen Volkes», zu dem er sich zählte, wiederzugeben und philosophische und moralische Fragen aufzuwerfen, über die man nachdenken musste. Unvergesslich bleiben auch die Kommentare als «Gusti Stumpenhofer» 1993 über die Ski-WM im japanischen Morioka, in denen er den Stammtischgesprächen über die langweiligen nächtlichen Fernsehbilder (meist mussten die Skirennen wegen schlechter Witterung verschoben werden) zu neuer Blüte verhalf.

   Spezielle Beachtung fanden seine einfühlsamen Weihnachtsgeschichten in Mundart, die beim «Anzeiger von Uster» während neun Jahren als Sonderseite einen Ehrenplatz belegten. Hier konnte Gody seine Neigung als poetischer Schriftsteller und Geschichtenerzähler ausleben. Spätestens hier hätte ein aufmerksamer Kinderbuch-Verleger das unerschöpfliche Reservoir von Godys Fabulierkunst entdecken müssen. Aber auch diese Ernte konnte Gody nicht einfahren. Beim Lesen dieser Geschichten gewinnt man den Eindruck, dass Gody aus seinen Talenten zu wenig gemacht hat.

Stammtisch als Quelle und als Verhängnis

   Die Stammbeizen von Uster waren für Gody das Zuhause und die Quelle, wo er Nahrung für seine Geschichten fand und seine eigene Welt aufbaute. Doch der Stammtisch wurde Gody auch zum Verhängnis. Der Alkoholkonsum «vernebelte» gelegentlich seine Klarsicht für die Zeitungsartikel. Der Alkohol setzte aber auch seinem Magen zu; Darm und Bauchspeicheldrüse meldeten sich. Seine Freundin Monika Weber, die ihm in den letzten Jahren eine treue und hilfreiche Lebensgefährtin war, und seine besten Freunde versuchten, ihm die Konsequenzen des übermässigen Schnapskonsums aufzuzeigen. Aber es begann der teuflische Kreislauf: Fernet Branca gegen die Schmerzen. Die Schmerzen aber wurden grösser, weil der Alkohol seinen Magen zerstörte. Im letzten Lebensjahr war der Gesundheitszustand von Gody so schlecht, dass er seine Artikel Monika zur Abschrift diktieren musste. Und als ihm der neue «Anzeiger von Uster» keine Aufträge mehr erteilte, starb in ihm der letzte Lebenswille. Gody hat intensiv gelebt, zu intensiv vielleicht. Er hat viele Momente tiefer empfunden als andere, und er hat die Geschichten anderer Menschen zu seinen eigenen gemacht und ihnen einen Namen gegeben.

   Irgendwie symbolisch ging auch die «Ära AvU» zu Ende. Im Sommer 1996 übernahm der «Zürcher Oberländer» die Aktienmehrheit des «Anzeigers von Uster». Am 20. Mai 1997 starb Gody Bodmer im Krankenheim in Uster, und damit starb auch ein Teil der Ustermer Lokalszene. Deine träfen Kommentare, lieber Gody, deine stimmigen Reportagen, deine Weihnachtsgeschichten und deine tiefsinnigen Lieder vermissen wir. Schade, dass du gehen musstest. Schade, dass wir im Alltagsstress zu wenig Zeit füreinander hatten. Schade, dass ich erst heute Zeit habe, dir zuzuhören.

Raymond Diebold-Schmid, 1998


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